Leseprobe Love & Ink: Grayson
Kapitel 1
Cassidy
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Echt jetzt?!
Fassungslos starre ich auf Graysons Jeep, der so dermaßen beschissen geparkt in der Einfahrt steht, dass ich unmöglich an ihm vorbeikomme. Und das, obwohl er sehr genau weiß, dass ich unsere … Zwangs-WG heute eher verlassen muss als er!
Dieser … Arsch, Arsch und nochmal Arsch!
Du hast ihn durchaus mal ganz attraktiv und anziehend gefunden, erinnert mich beinahe sofort eine verdammt besserwisserisch klingende Stimme in meinem Kopf.
Ja, habe ich, aber das war, bevor er mir bewiesen hat, dass er ein hirnloser und bloß mit dem Schwanz denkender Idiot ist, in dem ich mich komplett getäuscht habe. Seitdem hasse ich Grayson Lockwood inbrünstig und die Tatsache, dass wir aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände nun unter einem Dach leben müssen, ist pure Ironie des Schicksals.
Bei dem Gedanken, dass er bei dem Brand in seinem Gebäudekomplex alles verloren hat, bekomme ich kurz ein schlechtes Gewissen. Natürlich tut mir das leid für ihn, sehr sogar. Aber das ändert nichts daran, dass er so ungefähr der letzte Mensch ist, mit dem ich in einem Haus wohnen möchte, gleichgültig, dass ich damals zunächst ganz scharf auf das freie Zimmer in seiner WG war. Dass er mir das wahrscheinlich ohnehin nur angeboten hat, weil ich ihm aufgetischt habe, der Job hier wäre zeitlich befristet, verdränge ich schnell.
Während ich wütend wieder hinein- und die Treppen in den ersten Stock hinaufstapfe, hoffe ich innerlich, dass die Alternativwohnung, die mir mein Arbeitgeber nach dem durch ihn verursachten Versehen eigentlich zur Verfügung stellen wollte, bald frei wird. Mein unglücklicher Umstand, der mich zu Dante und Sophia ins Strandhaus getrieben hat. Irgendetwas ist schief gelaufen, das für mich vorgesehene Appartement ist doppelt belegt worden, zurzeit ist nichts sonst verfügbar und ich warte praktisch darauf, dass jemand seine Firmenwohnung aufgibt, damit ich einziehen kann.
»Grayson, du Arsch hast mich eingeparkt!«, rufe ich, als ich vor seiner Zimmertür angekommen bin und hämmere gleichzeitig dagegen. Zu inflationär kann man die Bezeichnung Arsch für ihn gar nicht verwenden, denke ich trotzig, weil ich üblicherweise nicht so extrem fluche oder gar Dritte ständig so betitele.
Es dauert einen Augenblick, dann vernehme ich schlurfende Schritte hinter der Tür, die gleich darauf geöffnet wird. Bei Graysons Anblick vergesse ich kurz das Atmen, sein Oberkörper ist nackt, untenherum trägt er lediglich eine tiefsitzende Jeans, deren Knopfleiste er gerade mal zur Hälfte geschlossen hat. Völlig aus dem Konzept gebracht starre ich einen Moment auf sein Sixpack und die schmale Haarlinie, bis mir klar wird, was ich da eigentlich tue. Rasch sehe ich wieder auf und begegne seinem wissenden Blick. Ein spöttisches Grinsen umspielt seine Lippen, seine braunen Augen blitzen auf und er verschränkt die Arme vor seiner breiten, tätowierten Brust, die dadurch noch beeindruckender wirkt.
Erwähnte ich schon, dass ich Grayson Lockwood hasse?!
Dass er von meiner Schwäche für ihn aufgrund meines Besuches für das Vorstellungsgespräch vor ein paar Monaten weiß, ist ein weiterer Umstand, der mich richtig nervt.
»Prinzessin, ich kann nichts dafür, dass du so eine schlechte Autofahrerin bist und es nicht hinbekommst, dein Spielzeugauto durch diese nun wirklich scheunentorgroße Lücke zu manövrieren«, kontert er schlaftrunken. »Frau am Steuer …«
»Noch ein Wort und ich kastriere dich«, unterbreche ich ihn empört, woraufhin sein dämliches Grinsen lediglich breiter wird. »Unterschätz mich nicht, ich bin mit einem Haufen Jungs aufgewachsen, ich kann dir in die Eier treten, wenn’s drauf ankommt.«
Er greift nach seinem Schlüsselbund, der auf der Kommode direkt neben seiner Zimmertür liegt, schiebt sich an mir vorbei und blickt dann über seine Schulter. »Willst du weiter starren oder kommst du?«
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Dieser … während ich ihm nach unten folge, überlege ich ernsthaft, ihm einen Tritt in seinen blöden, aber leider sexy Knackarsch zu geben. Den Behörden gegenüber könnte ich das bestimmt glaubhaft als Unfall verkaufen, wie will man mir nachweisen, dass ich ihn die Treppe hinunterbefördert habe?
Draußen angekommen dreht er sich ungläubig lachend zu mir um. »Dein Ernst? Soll ich deinen Kleinwagen ausparken? Dann kann ich meine Karre stehenlassen.«
Ich verdrehe die Augen. »Dante möchte vielleicht irgendwann auch das Grundstück verlassen, mit seinem SUV kommt er garantiert nicht dran vorbei. Und hör endlich auf mit dem blöden Gestichel, ich bin eine gute und sichere Autofahrerin.«
Mom und Dad haben mir das kleine Cabrio gegen meinen Protest zum abgeschlossenen Studium geschenkt, damit ich in Los Angeles mobil bin. An sich traue ich mir durchaus zu, es an Graysons Wagen vorbeizumanövrieren, ohne diesen zu touchieren. Aber ich fahre es erst wenige Tage und wollte nichts riskieren. Dad weiß nichts davon, dass Grayson auch hier wohnt und da die Versicherung – ebenfalls gegen meinen ausdrücklichen Widerspruch, immerhin verdiene ich mein eigenes Geld – über meine Eltern läuft, müsste ich ein paar äußerst unangenehme Fragen beantworten.
Grayson steigt ohne weitere Reaktion in seinen Jeep, startet den Motor und rangiert das Fahrzeug so zur Seite, dass ich nun problemlos herauskomme. Er klettert wieder aus dem Wagen und ich schenke ihm ein zuckersüßes, falsches Lächeln.
»Herzlichen Dank«, säusele ich, schultere meine Umhängetasche und wende mich ab.
»Wenn ich sonst noch was für dich tun kann, lass es mich wissen, Prinzessin«, ruft er mir süffisant hinterher.
Ich hebe lediglich die Hand, zeige ihm den Mittelfinger und schüttele den Kopf. Eher friert die Hölle zu, als dass ich Grayson um irgendeinen Gefallen bitte. Auf seinen bescheuerten Spitznamen für mich reagiere ich nicht länger mit Widerspruch, das stachelt ihn bloß weiter an.
Nachdem ich mein Zeug auf den Beifahrersitz geworfen habe, gleite ich auf den Fahrersitz des gerade einmal zwei Jahre alten Autos, schnalle mich an und will den Motor starten. Doch dieser tut nach einem äußerst seltsamen Geräusch nicht einen Mucks. Auch beim zweiten, dritten und vierten Versuch passiert rein gar nichts, zunehmend verzweifelt werfe ich einen Blick auf meine Armbanduhr und seufze. Wenn ich nicht bald losfahre, komme ich zu spät, und das in meinem allerersten Job nach dem Studium, den ich erst wenige Wochen mache.
»Scheiße, Scheiße, Scheiße«, schimpfe ich leise vor mich hin und schrecke zusammen, als jemand gegen die Fensterscheibe klopft.
Grayson, das war ja klar.
Er öffnet die Fahrertür und sein Lächeln wirkt ebenso falsch, wie meines vorhin gemeint war. »Will er nicht?«, fragt er überflüssigerweise.
»Oh, deine schnelle Auffassungsgabe ist wahnsinnig beeindruckend.« Begleitend zu diesen Worten klimpere ich mit den Wimpern, dann schnappe ich mir meine Sachen, steige aus und schlage die Autotür frustriert zu. Ich wühle in meiner Umhängetasche nach meinem Smartphone, um mir ein Uber zu rufen, das mich hoffentlich halbwegs rechtzeitig zu meinem Arbeitsplatz bringen wird. »Was willst du noch?«, blaffe ich Grayson an, der nach wie vor bei mir steht und keine Anstalten macht, zu verschwinden.
»Wenn du sehr lieb darum bittest, würde ich dich vielleicht fahren.« Seine Stimme ist eine Nuance dunkler geworden, was mich leider ganz und gar nicht so kalt lässt, wie ich es mir wünschen würde. »Aber das muss schon ernstgemeint herüberkommen, Cass.«
»Für dich immer noch Cassidy«, fauche ich. »Nur meine Freunde nennen mich Cass und zu denen gehörst du nicht.«
Grayson zuckt mit den Schultern. »Dann eben nicht, meinetwegen warte auf ein Uber, bis du schwarz wirst … oder frag Dante, der ist sicherlich begeistert, wenn du ihn beim Morgenquickie mit seiner Kleinen unterbrichst.«
Er wendet sich zum Gehen ab und ist schon die ersten Stufen hoch, als ich einsehe, dass ich keine wirkliche Wahl habe. Laut App ist gerade kein Fahrzeug in der Nähe, ohne seine Hilfe werde ich es nicht pünktlich schaffen.
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»Kannst du mich bitte fahren?«, presse ich hervor.
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Grayson bleibt stehen und dreht sich zu mir um. »Geht das ein bisschen überzeugender? Mein Angebot war ziemlich nett, insbesondere vor dem Hintergrund, dass du mir ungefähr eine Minute vorher den Mittelfinger gezeigt hast.«
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Überheblich blickt er auf mich hinab und ich würde ihm am liebsten sagen, wohin er sich sein Hilfsangebot stecken kann. Stattdessen zwinge ich mich zu einem hoffentlich aufrichtig wirkenden Lächeln und mache ein paar Schritte auf ihn zu.
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»Ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du mich zu meinem Arbeitsplatz bringen könntest, Grayson.«
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Es vergehen mehrere Sekunden, dann nickt er gnädig. »Hat das jetzt so weh getan, hm?«
Du brauchst ihn, du kannst ihn nicht umbringen, ermahne ich mich.
»Nein, hat es nicht.« Meine Wangenmuskeln schmerzen, so viel Anstrengung kostet mich dieses künstlich-übertriebene Lächeln. Oder ist es vielleicht der Fakt, dass ich mich davon abhalten muss, mich auf ihn zu stürzen und ihn doch noch in seine Kronjuwelen zu treten?
»Gib mir einen Moment, ich ziehe mir nur kurz ein T-Shirt über und mache mich frisch … keine Sorge, ich kenne eine Abkürzung.« Grayson zwinkert mir zu und verschwindet im Haus.
Ich hingegen krabbele schon einmal auf den Beifahrersitz seines offenen Jeeps und schnalle mich an. Die zwanzig- bis dreißigminütige Fahrt zu der Firma, in der ich arbeite, werde ich überstehen, ohne meinen Mordgelüsten nachzugeben.
Bin ich ehrlich zu mir selbst, ist es ohnehin viel schlimmer für mich, dass ich nach allem, was ich gehört und gesehen habe bei meinem Besuch damals in Los Angeles, immer noch dieses verfluchte Verlangen nach ihm verspüre.